Mit ausgeschüttetem Saft auf dem Tisch schmieren oder den Finger in den Joghurt stecken und zusehen, wie schön er sich auf dem Teller verteilt: Was wir als Eltern als eher unschön empfinden, ist für unsere Kinder bereits die Vorstufe ihrer Malentwicklung, die bereits im ersten Lebensjahr beginnt. Im zweiten Lebensjahr entdecken dann die meisten Kids, welche Wirkung sie mit Stiften, Pinseln und Farben auf Papier und anderen Materialien haben. Wie sich das Malen und Zeichnen bei Kindern in ihren unterschiedlichen Altersstufen entwickelt und wie du dein Kind bestmöglich fördern kannst, erklären wir dir hier.

Malentwicklung von Kindern: So verändern sich Kinderzeichnungen

Bereits im Alter von ca. acht Monaten begeben sich Kinder auf künstlerische Entdeckungsreisen und erfreuen sich an den Ergebnissen, die das Schmieren mit allerlei Lebensmitteln – besonders flüssigen wie Brei – mit sich bringt.

Kleinkind malt mit Fingerfarbe.
© jes2uphoto – stock.adobe.com

Die ersten „richtigen“ Gemälde unserer Kinder, die nach dem ersten Geburtstag entstehen, nehmen wir oftmals als einfache Kritzeleien wahr. Tatsächlich sind aber die Strichführung und die Art der entstandenen Formen bei allen normgerecht entwickelten Kindern ähnlich. So lassen sich für verschiedene Altersstufen – aufgrund der kognitiven Entwicklung des jeweiligen Alters – bestimmte Muster in der Art und Weise wie Kinder malen und zeichnen erkennen. Welche das sind, erfährst du jetzt.

Malentwicklung mit ca. 1 bis 3 Jahren: Die Kritzelphase

Schwungkritzel und Kreiskritzel in der Malentwicklung von Kindern.
Schwungkritzel und Kreiskritzel. © baddel daddel

Im zweiten Lebensjahr beginnen viele Kinder mit einem Stift oder Pinsel und Farbe auf ein Blatt Papier zu kritzeln – die Malentwicklung nimmt ihren Anfang. Damit ahmen sie ihre Eltern intensiv nach, die sie schon oft mit diesem Werkzeug hantieren haben sehen. Es gibt verschiedene Stadien der Kritzelphase:

Hiebkritzeln

Die ersten Versuche, auf Papier zu zeichnen, sind noch recht ungestüm: Viele Kinder machen ihre ersten Erfahrungen mit einem Stift, in dem sie ihn wie ein Flugzeug im Sturzflug auf das Blatt hinuntersausen lassen. Diese kräftige und ruckartige Bewegung kommt aus den Schultern und der ganze Kindskörper ist daran beteiligt. Es entsteht das Hiebkritzeln, das sich als Punkt- und Strichkritzeleien zeigt.

Kreiskritzel oder Schwungkritzel

Der Bewegungsdrehpunkt ändert sich später im 2. Lebensjahr vom Schultergelenk zum Ellenbogen, wodurch Kinder Kreiskritzel und Schwungkritzel zeichnen – weiterhin mit viel Elan.

Formkritzel

Die Kraft, mit der Farbe auf Papier gedonnert wird, lässt dann allmählich nach: Die Strichführung kommt jetzt mehr aus dem Handgelenk und es entstehen verschiedenste Formen an Kritzelzeichnungen. Die Zeichnungen werden außerdem kleiner.

Schreibkritzel

Im dritten Lebensjahr – bei einigen Kindern auch später – ahmen Kinder ihren Eltern oder älteren Geschwistern das Schreiben nach. Am Schreiben der Buchstaben besteht aber nicht sonderlich viel Interesse – die Kids wollen nur die Schwungbewegung nachmachen, die es beim Schreiben benötigt. Und diese auch auf kleinem Raum austesten. So werden fleißig Tabellen oder nicht mehr benötigte Formulare ausgefüllt wie von den Großen.

Sinnunterlegtes Kritzeln

Im dritten Lebensjahr fangen einige Kinder – aber nicht alle – an, ihre Kritzeleien zu benennen und zu deuten. Sie sind dabei aber noch sehr sprunghaft: Ein und dieselbe Zeichnung kann gleich mehrere Bedeutungen haben.

Am Ende der Kritzelphase sind Kinder in der Lage unterschiedlichste Kritzelzeichen sowie Punkte, Kreise oder Ovale, und Striche zu zeichnen.

Malentwicklung mit ca. 3 bis 4 Jahren: Geometrische Formen, Tastkörper & Kopffüßler

Tastkörper von einem Kind gemalt.
Tastkörper, Rechteck und Kreis. © baddel daddel

Mit drei Jahren können einige Kinder horizontale und vertikale Linien nachzeichnen. Aus dem noch eher undefinierbaren Kreiskritzel heraus lernen Kinder ihre erste geometrische Figur bewusst nachzuzeichnen: Den Kreis. Daraus lernt das Kind allmählich Viereck und Dreieck zu zeichnen. Da gerade schräge Formen im vierten Lebensjahr noch schwer fallen, stellen manche Kinder die Ecken des Dreiecks mit einer Spitze oder zusätzlichen Strichen dar.

Tastkörper oder Sonne

Mit der neu gelernten Fähigkeit Kreise zeichnen zu können, wird den Zeichnungen mehr und mehr Leben eingehaucht. Den Anfang macht der sogenannte Tastkörper oder die Sonne: Eine Kinderzeichnung, die aus einem Kreis oder Oval und zahlreichen Strichen besteht, die aus dem rundlichen Gebilde ragen. Das kann wie Fühler oder Sonnenstrahlen aussehen. Manche Experten sprechen dieser Zeichnung eine erste körperliche Bedeutung zu. Auch, weil sich daraus der Kopffüßler entwickelt, der die erste menschliche Darstellung zeigt, die viele Kinder zeichnen. Das mag bei manchen Kindern auch die Absicht sein, aber bei längst nicht allen. Zu behaupten, jeder Tastkörper oder jede Sonne würde den Menschen abbilden, würde den Blick auf die Kinderzeichnung jedoch unnötig eingrenzen.

Der Kopffüßler

Mit dem sogenannten Kopffüßler wollen viele Kinder ab einem Alter von ca. 3,5 Jahren allerdings klar erstmals einen Menschen abbilden und benennen ihn auch so. Die vielen Fühler des Tastkörpers werden auf nur zwei reduziert – üblicherweise die Füße. Der Kopf soll nicht den Kopf allein darstellen, sondern bildet eine Einheit aus Kopf und Körper. Manche Kinder malen den Kopf-Körper auch viereckig. Nur wenige Kinder lassen diese Phase in ihrer Malentwicklung aus.

Malentwicklung mit ca. 4 bis 5 Jahren: Vorschemaphase

Vorschemaphase in der Malentwicklung von Kindern.
© baddel daddel

Anfang des fünften Lebensjahres beginnen Kinder ihre Zeichnungen und Malereien nach einem bestimmten Plan bzw. Schema und in einer bestimmten Ordnung wiederzugeben. Oben, unten, rechts und links wird klar dargestellt. Oben wird der Himmel oftmals mit einem Strich dargestellt, unten auf diese Weise der Boden. In der Mitte des Bildes zeichnen Kinder ihnen gut bekannte Motive wie Autos, Bäume, Häuser, Wolken, Tiere, Flugzeuge usw.

Malentwicklung von Kindern im Alter von 5 bis 6 Jahren: Werkreife

Vorschulkinder haben die sogenannte Werkreife erreicht. Kinder haben nun eine relativ genaue Vorstellung davon, wie sie Personen und Merkmale realistisch darstellen können. Die Werkreife markiert eine Grenzzone in der Malentwicklung, da von nun an keine grundlegenden Neuerungen mehr eintreffen. Kinder zeichnen aber immer mehr Einzelheiten in ihren Bildern und verleihen ihnen Ausdruck. Um den Schulstart herum zeichnen die meisten Kinder ganz individuelle, unverwechselbare Bilder mit deutlichem Mitteilungsgehalt.

Malentwicklung von Kindern im Alter von 6 bis 8 Jahren: Schemaphase I

Schemaphase I in der Malentwicklung von Kindern.
Kinderzeichnung mit „Röntgenbild“: Das Innenleben des Hauses ist sichtbar. © strekalova – stock.adobe.com

Kinderzeichnungen werden ab Grundschulstart immer realistischer, doch die Schemaphase I zeigt sich besonders durch diese Merkmale:

  • Röntgenbild: Ein typisches Merkmal dieser Phase der Malentwicklung ist das Malen von Umrissen, die in Realität nicht sichtbar wären – z.B. die Körperumrisse unter Kleidung, der Inhalt eines Koffers oder die Familie im Haus.
  • Bedeutungsgröße: Dinge, die dem Kind von großer Bedeutung sind, werden oftmals größer dargestellt. Das muss aber nicht immer der Fall sein – manchmal ist es auch willkürlich größer entstanden.
  • Umklappung: Kinder stellen die verschiedenen Ansichten eines Gegenstandes zusammen dar. So malen sie z.B. bei einer Draufsicht auf einen Tisch die Tischbeine – die ansonsten verborgen wären – oben und unten sichtbar an die Tischplatte.

Malentwicklung von Kindern im Altern von 8 bis 12 Jahren: Schemaphase II

Schemaphase II in der Malentwicklung von Kindern.
© strekalova – stock.adobe.com

Kinder zeichnen in der letzten Phase der Malentwicklung – die Schemaphase IIrealistischer und legen größeren Wert auf die Proportionen der Menschen und Dinge, die sie malen. Es wird darauf geachtet, was sich im Vordergrund und was im Hintergrund befinden soll und dementsprechend auch die Größenverhältnisse angepasst. Die Zeichnungen werden auch immer komplexer: Kinder ab ca. zehn Jahren zeichnen dreidimensionale und perspektivische Bilder, ältere auch Grundrisse von Gebäuden oder Querschnitte. Mit ca. 12 Jahren ist die Malentwicklung von Kindern in der Regel abgeschlossen.

Auch Karikaturen malen Kinder jetzt oder sie geben ihren Zeichnungen eine ironische Note. Das kann unter anderem als Unsicherheit gegenüber dem eigenen Maltalent gewertet werden. Hinzu kommt der Leistungsdruck in der Schule: Der führt oftmals dazu, dass Kinder nur automatisierte Schemazeichnungen wiedergeben und dadurch – und vielleicht durch schlechte Zensuren – die Freude am Malen verlieren.

Wie kann ich die Malentwicklung meines Kinder sinnvoll fördern?

Manche Kinder malen unheimlich gerne – andere zeigen größeres Interesse an anderen Dingen, wie z.B. mit Klemmbausteinen bauen oder basteln. Es ist wichtig, Kinder aus eigenem Antrieb heraus malen und zeichnen zu lassen und sie nicht dazu zu drängen oder zu zwingen. So kannst du die Malentwicklung deines Kindes fördern:

  • biete deinem Kind ausreichend Malutensilien und Papier an bzw. bewahre es an einer für deinen Schatz gut erreichbaren Stelle auf.
  • Vorbild sein: Male, zeichne oder schreibe etwas in Anwesenheit deines Kindes. Durch den Nachahmungstrieb möchte es bestimmt bald selbst den Stift in die Hand nehmen.
  • Bei den ersten Kritzelversuchen kannst du dein Kind loben, musst die Zeichnung aber nicht weiter kommentieren oder nachfragen, was sie darstellen soll.
  • Kritisieren verboten: Dein Kind malt, wie es malt. Gerade im jungen Alter sind Verbesserungsvorschläge fehl am Platz.
  • Verschiedene Maltechniken anbieten: Buntstifte, Filzstifte, Fingerfarbe, Malkasten und Pinsel.
  • Geduldig sein: Manche Kinder malen im Kindergarten ein Bild nach dem anderen, während andere erst mit Schuleintritt Gefallen daran finden. Lass dein Kind selbstbestimmt und ohne Druck sein eigenes Tempo in der Malentwicklung gehen.

Malentwicklung von Kindern übersichtlich als Tabelle

AlterPhase der MalentwicklungKinderzeichnung
8 Monate bis 1 JahrSchmierphase● Vorstufe der Malentwicklung
● Schmieren mit dem Finger
1 bis 3 JahreKritzelphase● Hiebkritzeln
● Kreiskritzel oder Schwungkritzel
● Formkritzel
● Schreibkritzel
● sinnunterlegtes Kritzeln
3 bis 4 JahreGeometrische Formen & Kopffüßler● Zeichnen von Tastkörpern oder Sonnen
● Der Kopfüßler als erste menschliche Darstellung
4 bis 5 JahreVorschemaphase● Zeichnen nach bestimmten Plan oder Schema
● wiederkehrende Ordnung: oben, unten, rechts und links wird klar dargestellt
● Kinder zeichnen gut bekannte Motive
5 bis 6 JahreWerkreife● markiert eine Grenzzone in der Malentwicklung: Zeichnungen werden immer detaillierter, es gibt jedoch keine grundlegenden Neuerungen mehr
● zeichnen von individuellen, unverwechselbaren Bildern
6 bis 8 JahreSchemaphase I● Zeichnen von „Röntgenbildern“
● Bedeutungsgröße: Wichtiges wird größer dargestellt
● Umklappung: Verschiedene Ansichten einer Sache werden zusammen dargestellt
8 bis 12 JahreSchemaphase II● realistische Größenverhältnisse
● Zeichnungen mit Vorder- und Hintergrund
● dreidimensionale und perspektivische Bilder
● Grundrisse und Querschnitte
● Karikaturen und ironische Bilder
Ca. 12 JahreAbschluss der Malentwicklung● Realistisches Nachzeichnen von Personen und Dingen
● aufgrund von Leistungsdruck und negativen Äußerungen oder dem Zweifel an der eigenen Leistung kann Malfreude schwinden.
Tabelle zur Malentwicklung von Kindern.

Hinweis: Die genannten Altersstufen sind Durchschnittswerte und damit nur ein grober Richtwert. Es ist sehr individuell, wann welches Kind sich ungefähr in welcher Phase der Malentwicklung befindet.

Na, erkennst du die Kunstwerke deiner Kids in den Phasen der Malentwicklung wieder? Hast du vielleicht weitere Tipps, wie Kinder Freude am Zeichnen und Malen finden? Lass sie uns doch in den Kommentaren wissen!

Quellen
Brügel, Eberhard (2012): Wundervolle Welt der Kinderzeichnung. Die Entwicklung des bildnerischen Handelns von Kindern zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr. Deutsches Jugendinstitut. München. | Jenni, Oskar. (2013). Wie Kinder die Welt abbilden – und was man daraus folgern kann. Pädiatrie up2date. 08. 227-253. 10.1055/s-0032-1326475. | Florian Goldbach: Zur Entwicklung des plastischen Ausdrucksvermögens. Ein Überblick.

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Julia May

Hi! Ich bin Julia und seit 2018 Mama eines aufgeweckten Jungen, der meine Welt manchmal ganz schön auf den Kopf stellt. 2022 gesellte sich mein zweites Söhnchen hinzu und gemeinsam erleben wir den trubeligen Alltag einer vierköpfigen Familie. Meine Erfahrungen teile ich mit dir in zahlreichen Artikeln rund um Kindererziehung, Schwangerschaft und Gesundheit und gebe bewährte und hilfreiche Tipps, die deinen Familienalltag erleichtern.

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